Schlupfwespen für Walliser Obst

Aprikosen-, Äpfel und Birnen-Plantagen im Wallis sind gefährdet. Es sind eingeschleppte Bananenschmierläuse, die Früchte schädigen und unverkäuflich machen. Herkömmliche Insektizide vermögen diese Läuse nicht einzudämmen.
Erfolg hingegen versprechen die Schlupfwespen der Art Acerophagus malinus. Sie legen ihre Eier in die Schädlinge. Die Schlupfwespe ist wahrscheinlich mit der Schmierlaus eingewandert. In grossen Mengen gezüchtet und ausgesetzt, könnten die Schlupfwespen die Verbreitung der Schmierlaus eindämmen.

Schweizer Aprikosen gedeihen zu 97% im Wallis. Bis zu 9’500 Tonnen in guten Jahren. Sie wachsen auf 704 Hektaren, betreut von 150 Obstbauern, darunter 41 Bio-Obstbauern.

Die Plantagen befinden sich grösstenteils linksseitig der Rhone, von Sion talwärts bis zum Rhoneknie bei Martigny. Der Obstbau, neben Aprikosen vor allem Äpfel und Birnen, ist im Wallis mit 278 Betrieben von grosser wirtschaftlicher Bedeutung.

Bananenschmierlaus im Vormarsch

Die Bananenschmierlaus Pseudococcus comstocki, die 2015 als Schädling erstmals im Wallis festgestellt wurde, verbreitet sich Jahr um Jahr zwischen Sion und Martigny in den Aprikosen-, Äpfel- und Birnen-Plantagen.
Aprikosen, Äpfel und auch Birnen werden seit dem ersten Aufkommen der Bananenschmierlaus im Jahre 2015 immer stärker von diesen eingeschleppten Laus-Schädlingen befallen.

Denn die ursprünglich in Asien beheimatete Bananenschmierlaus kennt hier kaum Feinde.

Die Larve des asiatischen Marienkäfers findet man zwar in den Aprikosenplantagen. Sie ist auf Läuse aus, aber nicht spezifisch auf die Bananenschmierlaus.
Ein Insekt zu finden, welches hauptsächlich
die Bananenschmierlaus aufsucht, um ihre Eier abzulegen, wäre eine Ideallösung. Doch in den ersten Jahren seit dem Einfall des Schädlings wurde ein solches Insekt, im Idealfall die darauf spezialisierte Schlupfwespe nicht gefunden.
Die Bananenschmierlaus hat sich bis 2018 auf den Walliser Obstplantagen zwischen Saxon und Chamoson an der linken Rhoneseite ausgebreitet, wie Untersuchungen in ausgewählten Plantagen ergaben. Diese schnelle und starke Verbreitung alarmiert die Obstbauern und die Behörden…
…. so dass 2019 Agroscope und die Walliser Behörden anfingen nach Lösungen zu suchen und seit 2020 mit dem CABI (Center for Agriculture and Bioscience International) in Delémont zusammenarbeiten. 
Dazu bewilligte das Bundesamt für Landwirtschaft zwei Wirkstoffe: Spirotetramat, das auf die Verdauung, und Acetamiprid, das auf das Nervensystem der Läuse wirkt. Und zwar darf jedes Insektizid nur einmal pro Saison angewendet werden, damit die Schmierläuse nicht resistent werden und diese Insektizide an Wirkung einbüssen. Für den Bio-Obstbau werden Öle verwendet.
Die Obstplantagen wurden 2019 zwar weniger stark befallen als im Jahr zuvor. Die Insektizide jedoch verhinderten nicht, dass sich die Bananenschmierlaus auf weitere Gebiete im Kanton verbreitete.

Die leidtragenden Obstbauern

Betroffen sind auch die Betriebe der 41 Bio-Obstbauern, die keine chemisch-synthetische Insektizide anwenden. Auf seinen Plantagen in Riddes hatte Mathieu Vouillamoz im Jahre 2019 deswegen Einbussen von 11 Prozent, im Jahre 2020 von 9 Prozent.

Hart traf es die Plantagen von Bio-Obstbauer Patrice Bruchez. Seine Apfelplantagen kamen noch glimpflich davon im Vergleich zu den Birnenplantagen.

Die Plantage mit den Birnen Beurré Bosc lies Patrice Bruchez 2020 abholzen. Die Bananenschmierläuse waren derart zerstörerisch, dass die Birnen unverkäuflich waren. Eine weitere Plantage mit Williams Birnen wurde ebenfalls noch gerodet, denn auch die wurde von den Lausschädlingen stark geschädigt.

Mit Insektiziden allein ist der Bananenschmierlaus nicht beizukommen. Agroscope und das CABI untersuchen deshalb 2020 den ganzen Lebenszyklus der Bananenschmierlaus im Labor und in den Plantagen nach angreifbaren Lebensphasen. Ziel ist es, herauszufinden, ob bereits vorkommende natürliche Feinde sie als Räuber oder Parasitoiden eindämmen können. Und wann gegen die Bananenschmierlaus allenfalls ein kurzzeitig eingesetztes Insektizid wirksam ist.

Trickreiche Bananenschmierlaus

Agronomin Marie Terrettaz beobachtet jede Phase des kurzen Lebens der Bananenschmierlaus vom Ei bis zum fruchtbaren Weibchen, im Labor von Agroscope in Conthey.

In der Petrischale sind auf der keimenden, nahrungsreichen Kartoffel die verschiedenen Stadien der Bananenschmierlaus zu beobachten.
Aus den umwickelten gelblichen Eiern schlüpfen die ganz kleinen Nymphen.
Bevor die Weibchen erwachsen werden durchschreiten sie drei Nymphen-Stadien.
Daraus entwickelt sich die weibliche Laus direkt…
…während die männliche nach dem zweiten Stadium sich zuerst verpuppt, um ein fliegendes Insekt zu werden, das nur kurzlebig ist und nach der Befruchtung der Weibchen abstirbt.

Die Entwicklung der Bananenschmierlaus

Pro Jahr entwickeln sich im Wallis zwei volle Generationen vom Ei bis zur Befruchtung der erwachsenen Weibchen, die sich aus drei Nymphen-Stadien entwickeln. Die Männchen gehen nach der Verpuppung
aus dem zweiten Nymphen-Stadium hervor.
Die Eier der zweiten Generation überwintern und bilden die erste Generation im folgenden Jahr.
Auf den Obstplantagen schaut Marie Terrettaz nach, wo sich die Bananenschmierläuse unter den Baumrinden verstecken.

Vor Eingriffen geschützt, überleben die Bananenschmierläuse als Eier unter der Rinde der Obstbäume den Winter und kriechen erst bei der ersten Frühlingssonne hervor.

Im Frühling und Sommer kriechen sie aus der Rinde oder Aststümpfen hervor, um zunächst auf die Blätter, dann in die frühreifen und später in die reifen Früchte zu gelangen.

In den Früchten angelangt, ernähren sie sich vom Fruchtfleisch, beschädigen die Früchte derart, dass sie nicht mehr als geniessbares Obst auf dem Markt kommen.

Die Fruchtbarkeit der Bananenschmierlaus

Mehrere Generationen der Bananenschmierlaus suchen pro Jahr die Obstplantagen heim. Wichtig war zu erfahren, wie viele Generationen die Schmierlaus durchläuft – vom Ei über die Stadien der Nymphen bis zu den erwachsenen Weibchen, die ihre Eier ablegen. Diese Kenntnis hilft, den optimalen Zeitpunkt der Behandlung der Plantagen zu bestimmen.
Die Methode zur Bestimmung der Generationen:

Mit Klebebändern: Aus der Eiablage unter der Rinde krabbeln die kleinsten Nymphen des ersten Stadiums unter den Baumrinden hervor. Einige von ihnen werden von Klebebändern eingefangen. Jede Woche wird die Anzahl der Nymphen auf dem Klebeband gezählt und das Klebeband gewechselt.

Mit Lockstofffallen: Vom Paarungsduft des Weibchens werden die Männchen der Bananenschmierlaus angezogen. Jede Woche wurden sie in den Fallen gezählt.

Mit Augenschein vor Ort: Einmal pro Woche zwischen Ende Mai und Mitte Oktober 2020 zählte Agronomin Marie Terrettaz die Bananenschmierläuse an den Blättern, Früchten und Baumrinden an je 20 verschiedenen Stellen. Die Eierablagen der Weibchen der 1. Generation wurden Ende Juni bis Mitte Juli beobachtet.

Die Folge davon ist die dominante 2. Generation, deren Nymphen Ende August bis Ende September in grösster Anzahl auf den Baumrinden der Apfelbäume gefunden wurden.

Fazit: Bananenschmierläuse der 2. Generation haben das grösste Aufkommen und richten zwischen Juli und September am meisten Schäden an. Es müsste deshalb verhindert werden, dass die Weibchen der 1. Generation Nachkommen in die Welt setzen.

Forschende diskutieren ihre Strategie mit Obstbauern

Das Forschungsteam von Agroscope und CABI trifft sich anfangs Juli 2020 mit Bio-Aprikosenbauer Mathieu Vouillamoz (rechts) in Riddes zur Strategiebesprechung…
 …und mit Bio-Apfelbauer Patrice Bruchez (links), hier im Gespräch mit Agroscope-Projektleiterin Dominique Mazzi.

Von Lukas Seehausen, Biologe am CABI in Delémont kann Mathieu Vouillamoz erfahren, wie er in einem Modell vorhersagen will, in welchen Zeiträumen die Bananenschmierläuse in ihrer Entwicklung die Plantagen im Wallis heimsuchen. Das Modell stützt sich unter anderen auch auf bereits vorhandene Studien.

Das Modell von Seehausen stützt sich auf einer statistischen Auswertung von Studien über die Bananenschmierlaus im asiatischen Raum. Ihr Aufkommen hängt stark mit dem Temperaturverlauf in der Umgebung zusammen.
Falls die Suche nach Insekten gelingt, die Eier für ihre Nachkommen in die Bananenschmierläuse legen, so sollten diese Insekten ihre Eier während der Paarungszeit in die erwachsenen Weibchen der Bananenschmierläuse legen, also um den Jahrestag 175, zwischen Ende Juni und Anfangs Juli 2020.

Die Obstbauern erfahren zudem, dass CABI-Mitarbeitende, wie hier Baptiste Sneiders, zwischen April und Dezember alle zwei Wochen in den Plantagen Bananenschmierläuse einsammeln.

Von Interesse sind für Lukas Seehausen Exemplare vom Eistadium bis zu den erwachsenen Weibchen.

Im CABI-Labor in Delémont halten Baptiste Sneiders und Lauréline Humair die im Wallis gesammelten Bananenschmierläuse auf keimenden Kartoffeln.

Sie beobachten, ob einige von ihnen im Wallis von Schlupfwespen angestochen wurden. Aus den Läusen würden dann Nachkommen von Schlupfwespen schlüpfen. Im Idealfall wären es Nachkommen von Schlupfwespen, die auf die Bananenschmierlaus spezialisiert sind und mit ihr eingewandert sind.

Lukas Seehausen und Baptiste Sneiders können Bio-Apfelbauer Patrice Bruchez im Juli 2020 über die Entdeckung von auf Bananenschmierläusen spezialisierten Schlupfwespen noch nicht berichten. Werden sie aber in Läusen auf Plantagen im Wallis gefunden, dann könnten sie zur Bekämpfung der Schmierläuse eingesetzt werden.

Kontrollierte Aprikosenernte

Die Aprikosenernte Mitte Juli begleitet Marie Terrettaz auf der Bio-Plantage von Mathieu Vouillamoz.

Die von Bananenschmierläusen befallenen Früchte kommen in einen eigenen Harass. Marie Terrettaz listet die beschädigten Aprikosen genau auf, um zu wissen, ob mit natürlichen Fettsäuren behandelte Bäume weniger beschädigtes Obst hervorbringen als unbehandelte Bäume.

Der Befund: 1,6 % der Aprikosen von unbehandelten Bäumen sind wegen Bananenschmierläusen schwer zu vermarkten, bei behandelten Bäumen sind es 1,9 %. Beim Befall mit Schmierläusen gab es also zwischen behandelten und unbehandelten Bäumen keinen bedeutenden Unterschied.

Mathieu Vouillamoz erlitt im Jahre 2020 auf all seinen Plantagen einen Ertragsausfall von 9 % durch den Befall von Bananenschmierläusen.

Die gesuchte Schmierlaus-Spezialistin

Im CABI-Labor in Delémont schlüpfen aus den Bananenschmierläusen verschiedene Schlupfwespen, kaum je einen Millimeter gross. Der genetische Test ergab Ende 2020, dass sich darunter drei gesuchte asiatische Schlupfwespen befinden.
Die eine davon, die Schlupfwespe Acerophagus malinus wird nun im Labor gezüchtet, mehrere tausend Exemplare pro Woche.

Schlupfwespen gegen Bananenschmierläuse

Anfang Juli 2021 liessen die Forschenden die Schlupfwespen in ausgewählten Plantagen zu Tausenden aus den Freilassungsbehältern fliegen, damit sie zur Paarungszeit die erwachsenen Weibchen der Bananenschmierlaus parasitieren.

Der Zeitpunkt der Freilassung ergab sich zum einen aus der Modellberechnung von Lukas Seehausen (links). Sie zeigt, dass von Ende Juni bis Anfangs Juli die Weibchen der Bananenschmierlaus erwachsen und paarungsbereit sind. Diese Zeit stimmt überein mit den hohen Aufkommen der Weibchen, wie Marie Terrettaz beobachtete, sowie mit dem Flug der Männchen der Bananenschmierlaus, die Ende Juni in grösster Zahl in Lockstofffalle flogen (rechts).

Auf den Plantagen von Saxon und Riddes bereitet Lauréline Humair mit ihrem Kollegen von Andermatt Biocontrol den Flugeinsatz der Schlupfwespen auf der Aprikosen- und Apfelplantagen vor.

Die rohrförmigen Freilassungsbehälter heften die Mitarbeitende von CABI und Agroscope zu Dutzenden an die Äste der Aprikosen- und Apfelbäumen.

Kontrolle der Schlupfwespen-Erfolge

Kaum sind die Schlupfwespen ausgesetzt, so suchen sie die Schmierläuse heim. Für die Mitarbeitenden von CABI und Agroscope eine Genugtuung.
Nach der Aussetzung werden sie analysieren, wie stark die Schmierläuse von den Schlupfwesen parasitiert wurden. Dies im Vergleich zu den Kontrollflächen, in denen keine Schlupfwespen ausgesetzt wurden. So erfahren sie, wie effizient die biologische Schädlingsbekämpfung sein kann.

Dominique Mazzi, Leiterin des Projekts von Agroscope, Marie Terrettaz, Agroscope-Agronomin und CABI-Biologe Lukas Seehausen werden genau verfolgen, wie erfolgreich sich die biologische Schädlingsbekämpfung in den Walliser Obstplantagen erweist.
Sollte die Schlupfwespe Acerophagus malinus die Bananenschmierlaus wirksam in Schach halten, könnten künftig Schlupfwespen so freigesetzt werden, dass sie im Takt mit dem Lebenszyklus der Bananenschmierlaus ihre Eier selektiv in die Bananenschmierlaus legen.
Impressum:

ACDC: Büro Agile Communication DanChris © 2021
Christian Bernhart: Konzept, Text, Fotos
Landkartenbearbeitung: Dienststelle für Landwirtschaft des Kantons Wallis
Atelier Kislig Grafikdesign, Daniel Kislig: Screendesign
Marc Dietschi, Programmierung, marcdietschi.com

Im Auftrag von Agroscope
und in Zusammenarbeit mit CABI (Centre for Agriculture and Bioscience International) sowie Dienststelle für Landwirtschaft des Kantons Wallis