Blühstreifen
für Nützlinge
Angelockte Insekten halten die Schädlinge im bestellten Acker in Schach, so dass auf gewisse Pestizide meist verzichtet werden kann. Es sind ausgewählte Wild- und Kulturpflanzen eines Blühstreifens, welche diese Insekten anziehen.
Aus dem Blühstreifen für Nützlinge schwärmen sie in den angrenzenden Acker, legen ihre Eier in die Schädlinge oder fressen sie. Mit grösster Wirkung bis zu 60 Meter weit.
Sie reduzieren die Schädlinge derart, dass die Ackerpflanzen viel weniger Schaden nehmen. Sie sorgen fürs natürliche Gleichgewicht der Kleinlebewesen und die Fruchtbarkeit des Bodens.
Das Feld mit vollen Weizen, Roggen- oder Gerstenähren ist eindrücklich und war seit je der Stolz vieler Bauern im traditionellen wie modernen Anbau.
Doch so ein Feld ist keine Selbstverständlichkeit.
Gefrässige Insekten
Es braucht die Pflege, mitunter auch Glück beim Wetter und vor allem die Eindämmung von Insekten und Mikroorganismen, die auch ein grosses Interesse an den Früchten des Ackers haben.
Denn Monate bevor die Bauern Getreide, Kartoffeln, Bohnen oder Kohl vom Acker ernten, bieten die heranwachsenden Kulturpflanzen ideale Ernährung für Schädlinge, die sich an deren Blättern, Blüten und Früchten laben wollen.
Insekten, wie die Schwarze Bohnenlaus beispielsweise knabbert die Blüten der Ackerbohne an.
Lässt man den Läusen freien Lauf, so kann die Ernte Einbussen bis 50% erleiden. Weil sie an den Trieben und Blüten saugen und sie so verkümmern lassen.
Die Läuse scheiden dazu zuckerhaltigen Honigtau aus, wodurch die Blätter anfällig für die Schokoladenflecken-Krankheit werden.
Blattläuse befallen auch die krautige Kartoffelpflanze, was die Knollen beeinträchtigt, wenn sie über die Blätter gefährliche Viren an die Knollen weitergeben.
Und die Getreideblattläuse machen sich vor allem über die Ähren her. Wegen ihrer starken Vermehrung können sie zu einem hohen Ernteverlust führen. Der von ihnen ausgeschiedene klebrige Honigtau, zieht die Schwärzepilze an, welche die Pflanze bei der Umwandlung des Sonnenlichts beeinträchtigt.
Verschiedene Getreidearten, vor allem Weizen und Gerste, werden von Getreidehähnchen befallen.
Aktiv sind im April bereits die Käfer, welche Löcher in die Gräser fressen.
Nach deren Paarung verursachen jedoch die Larven den Hauptschaden. Sie schlüpfen aus den ca. 300 Eiern, welche ein Käferweibchen an die Blätter abgelegt hat. Bereits eine Larve, die sich auf einem Blatt des Getreidehalms gütlich tut, kann den Ertrag dieser Pflanze um 10 Prozent verringern.
Auf dem Kohlacker führt schliesslich die Raupe des Kohlweisslings oder der Kohleulen zu enormen Ernteausfällen, falls sie nicht in Schach gehalten wird.
Radikale Pestizide
Schädlinge werden die Bauern heute teils mittels Pestizide los. Auch Mirjam Lüthi-Probst besprühte damit Jahr für Jahr ihre Äcker mit der Feldspritze.
Doch sie hatte Vorbehalte. Die versprühten Pestizide waren zwar wirksam, doch das darin enthaltene Nervengift sorgt für Nachteile.
Diese Nervengifte wirken radikal, sie greifen alle Insekten und Kleinlebewesen an. Sie vernichten nicht nur Schädlinge…
sondern auch weitere Insekten. Also jene Insekten, wie Marienkäfer, Flor- und Schwebefliegen, welche die Schädlinge wirkungsvoll bekämpfen und dazu für ein gesundes
Bodenklima sorgen.
Pestizide retten zwar Ernten, tragen aber mit über 12% zum weltweiten Insektensterben bei und schädigen so massgebend der Biodiversität. Alternativen sind gefragt.
Säen statt Spritzen
Als engagierte Bäuerin und ausgebildete Agronomin suchte Mirjam Lüthi-Probst nach einer Alternative. Statt zum Pestizid greift sie jetzt zum Saatgut, das ihr Katja Jacot empfohlen hat.
Auf einem drei Meter breiten Streifen entlang des Ackers in Bellach streut Mirjam Lüthi Samen einer besonderen Mischung von Wild- und Kulturpflanzen.
Es ist die Samenmischung, die Katja Jacot mit ihrem Team von Agroscope entwickelte.
Aus dieser Mischung blühen in ein paar Wochen die ersten Pflanzen des Blühstreifen für Nützlinge.
Was Mirjam Lüthi zum ersten Mal sät, darauf
vertrauen 2019 schweizweit bereits rund 700 Bäuerinnen und Landwirte:
Aufteilung der Ackerbaubetriebe auf die Kantone, deren Landwirte am meisten auf Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge setzen. Betrifft das Jahr 2019
* Im Kanton Bern unterrichtet die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Bäuerinnen und Landwirte den Anbau von Blühstreifen.
Auf insgesamt 145 Hektaren säten sie Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge.
Verteilung der Blühstreifen-Hektaren im Ackerbau auf die Kantone, deren Landwirte 2019 am meisten auf diese Blühstreifen setzen.
Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge
Blühstreifen dienen der Biodiversität als natürliches Pflanzenschutzmittel im Ackerbau und als Nahrung für Insekten. Denn sie bieten den Bestäubern und anderen Nützlingen eine reichhaltige Nahrung. Je nach Ziel gibt es dazu unterschiedliche Saatmischungen:
Blühstreifen für Bestäuber:
Sie locken mit ihrem Nektar in erste Linie Insekten, wie Wildbienen, Honigbienen, Hummeln und Schwebfliegen an. Die Insekten bestäuben dadurch die Pflanzen. Auffallend an diesen Blühstreifen sind vor allem die blau-violetten Blüten der Büschelblume und die verschiedenen Kleearten sowie die weiss-rötlichen Blüten des Echten Buchweizens.
Blühstreifen für Nützlinge:
Sie locken insbesondere Insekten an, die im angrenzenden Acker die Schädlinge bekämpfen. Auffallend in diesen Blühstreifen sind die blauen Blüten der Kornblume, die roten Blüten des Klatschmohns, die weissen Blüten des Korianders und jene des Echten Buchweizens. Dazu noch die Blüten der Acker-Hundskamille und des Gartenkerbels sowie die gelben Blüten des Acker-Senfs.
Die Blühstreifen gehören zu den Biodiversitätsförderflächen, die vom Bund seit 2015 mit Beiträgen an die Bauern gefördert werden.
Die Idee des Lockangebots – Blühende Blumen für natürliches Gleichgewicht
Die Blüten dieser Wild- und Kulturpflanzen locken die Nützlinge auf den drei Meter breiten Streifen.
Das Lockangebot ist der Nektar der Blüten, den die Nützlinge als vegetarische Abwechslung schätzen. Dabei helfen die auch die Pollen der Blumen zu verbreiten.
Vom Blühstreifen befliegen die Nützlinge den angrenzenden Acker, befallen dort die Schädlinge, damit diese nicht überhandnehmen. Aber nicht mit der radikalen Methode der Pestizide, die Schädlinge und Nützlinge im Acker vernichten.
Vielmehr sorgen die Nützlinge ● für nachhaltiges Gleichgewicht. Sie legen Eier in die Larven der Schädlinge ● oder fressen sie. Doch nur so viele, dass im Acker kein Ernteschaden entsteht, sie jedoch weiterhin Schädlinge verköstigen können.
Die Breite des Blühstreifens sowie die ausgewählten Wild- und Kulturpflanzen sind massgebend, dass genügend Nützlinge angelockt werden, um die Schädlinge im Acker unter die Schadschwelle einzudämmen.
Dazu hat Agroscope zur Auswahl der Blütenpflanzen
spezielle Feld- und Laborstudien durchgeführt.
Messbarer Erfolg
Steht der Blühstreifen für Nützlinge rund zwei Monate nach der Aussaat in voller Blüte, dann erfreut die Farbpracht nicht nur das Auge. Die angelockten Nützlinge haben inzwischen auf den Äckern volle Arbeit geleistet, wie das Agroscope in Studien nachweisen konnte.
Blühende Lebensräume
Seit Bäuerinnen und Landwirte Blühstreifen für Bestäuber und andere Nützlinge einsetzen, haben die Anbauflächen seit 2015 stets zugenommen. Von 116 Hektaren auf 145 Hektaren Blühstreifen im Jahre 2019. Säten zu Beginn 449 Betriebe Blühstreifen an, so waren es 2019 immerhin deren 695.
Mirjam Lüthi ist also eine der rund 700 Bäuerinnen und Landwirte, die auf
Blühstreifen setzen. Was sie und andere Landwirte darüber urteilen.
Und was Agroscope-Agronomin Katja Jacot über ihre Zusammenarbeit mit
den Bauern sagt.
Mirjam Lüthi-Probst
IP-Suisse-Bäuerin in Bellach
« Beim Säen hegte ich noch keine hochgesteckten Erwartungen. Ich fragte mich auch, ob die Blüten rechtzeitig die Nützlinge anlocken würden. Bald war es aber eindrücklich zu sehen und zu hören, wie viele Nützlinge einflogen und wie das Summen der Bienen zunahm. Wie viele Schädlinge im Feld letztlich parasitiert wurden, ist für mich schwierig zu beurteilen. Aber schon rein optisch hat der Blühstreifen die Landschaft und so auch die Biodiversität aufgewertet. Von Passanten erhielt ich nur positive Rückmeldung. Im Gegensatz zum Einsatz von Pestiziden werte ich die Blühstreifen über alle Aspekte als durchaus positiv. Säe ich auf derselben Parzelle bald Dinkel an, dann erneut mit Blühstreifen. Und für Zuckerrüben einen vor allem gegen Blattläuse. »
Thomas Wüthrich
Bio-Bauer in Wynau
« Beim Kohlanbau bewirkten die Blühstreifen recht viel. Darin habe ich Erfahrung von sechs Jahren. Zuletzt mussten wir gegen Kohleule nicht mehr spritzen, auch wenn die Nützlinge diese nicht zu 100% bekämpften. Für eine noch bessere Wirkung, will man nun auch einzelne Exemplare des Blühstreifens innerhalb des Kohlackers pflanzen. 2020 säte ich zum zweiten Mal Blühstreifen neben dem Weizenfeld, auch wenn die Getreidehähnchen auf meinem Acker nicht so grossen Schaden anrichten. Die Blumen der Blühstreifen sind auf alle Fälle gut für die Insekten, die vom Nektar und den Pollen angelockt werden. »
Christian Forster
Bio Bauer in Lohn-Ammannsegg
« Blühstreifen pflanzte ich schon das dritte Jahr: zwei Jahre beim Getreide und nun in der Obstanlage bei den Apfelbäumen. Mein erster Blühstreifen für Nützlinge wurde 2018 als schönster auserkoren. Er war einfach gut angelegt und der Zeitpunkt der Saat stimmte. Aber jedes Jahr sieht er anders aus, es kommt darauf an, welche Pflanzen bevorzugt gut wachsen. Ich stellte immer fest, dass Schädlinge parasitiert wurden, doch letztlich ist schwierig zu sagen, wie sich in einem bestimmten Jahr der Acker mit oder ohne Blühstreifen entwickeln würde. Blühstreifen erachte ich als einen Teil des Ganzen. Den Acker- und Obstbau will ich ganzheitlich angehen, weil ökologisch zu handeln für mich wichtig ist. Das heisst konkret, dass wir Nützlinge auch in die landwirtschaftlich genutzten Flächen hineinlocken. So schaffen wir Lebensraum für mehr Vielfalt in der Natur. »
Katja Jacot
Agronomin bei Agroscope
« Blühstreifen für Nützlinge müssen auf dem Feld erprobt werden. Bei dieser angewandten Forschung sind wir froh, mit motivierten Bäuerinnen und Landwirten zusammenarbeiten zu können. Ihre Rückmeldungen, Anregungen und Fragen, aber auch ihre wertvollen Erfahrungen fliessen dann direkt in die Forschung und Entwicklung ein. Ihre Rückmeldungen ergänzen sie oft mit dem Wunsch bei der Umstellung auf Blühstreifen noch mehr begleitet zu werden. Im Kanton Bern hat die Hoch schule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Erfolg damit. »
Gemeinsame Forschung
für Blühstreifen
Agroscope engagiert sich mit anderen Schweizer Forschungsinstituten, wie dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) und der Berner Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Bauernverband, dass diese Blühstreifen sich mehr und mehr durchsetzen als hilfreichen Beitrag zu einer nachhaltigen ökologischen Schweizer Landwirtschaft.
Dazu laufen zwei Projekte.
Blühstreifen für Nützlinge im Obstbau
Blühstreifen der Obstplantage beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick (Foto: Katja Jacot)
Bio-Landwirte im Thurgau, Bern und Baselland nehmen teil an einem Pilotprojekt von mehrjährigen Blühstreifen, die Schädlinge in Obstanlagen von Äpfel- und Kirschbäumen auf natürliche Weise zu regulieren helfen. Die bisher acht Bauern können sich dabei auf eine 3-jährige europäische Forschung des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL) abstützen. Das FiBL hat dabei mit Projektpartnern aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Schweden geforscht. Obstplantagen aus den sieben teilnehmenden Ländern lieferten vielversprechende Resultate. So sorgten in der Schweiz der Blühstreifen mit 30 mehrjährigen Pflanzen dafür, dass die angelockten Nützlinge die gefährliche mehlige Apfelblattlaus unter der Schadschwelle in Schach hielten. Auch in Belgien konnten mit bloss 20 Pflanzenarten so viele Nützlinge gefördert werden, dass keine Insektizide gegen die Apfelblattlaus mehr nötig waren.
Blühstreifen für Mensch und Natur im Rebbau
Blühstreifen der Rebbauanlage in Oberflachs (Foto: Katja Jacot)
Rund 50 WinzerInnen in der Schweiz erproben mithilfe von Agroscope und Unterstützung von Stiftungen, der Bundesämter für Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft (BLW) sowie in Zusammenarbeit mit FiBL neue Wege zur agrarökologischen Aufwertung von Rebbergen. Dabei sollen mehrjährige Blühstreifen Funktionen wie die Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit der artenarmen Rebberge verbessern. Sie sollen Insekten anlocken, welche auch Schädlinge, wie die Kirschessigfliege, bekämpfen können. Die Blühstreifen mit gut 30 Pflanzenarten wie Ackersenf, Flockenblume, wilde Möhre und Hornklee, werden zwischen den Rebstöcken in den Fahrgassen angesät. «Bei rund 80 % der Winzerinnen und Winzer verläuft das Experiment erfolgreich», sagt Agroscope-Agronomin Katja Jacot. Weiterhin wird an der Pflanzenmischung, der angepassten Bewirtschaftung und den Auswirkungen der Blühstreifen geforscht. Grosse Hoffnung setzt das Team von Jacot auf Blühstreifen zur Förderung und Erhaltung von gesunden Trauben. Es gilt den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren, damit angelockte Nützlinge wie Schlupfwespen und Bienen möglichst wenig Schaden nehmen.